Tiger Woods und ich kannten uns zu dem Zeitpunkt schon drei Jahre lang: Er war wie ich 1997 beim Ryder Cup in Valderrama dabei. Kennen mag jetzt vielleicht ein wenig übertrieben klingen, aber er hatte Notiz vom „guy from Austria“ genommen. Meine Fragen nach der Niederlage gegen Rocca in den Singles waren wohl wie tiefsitzende Stacheln.
Jedenfalls nahm ich dies zum Anlass, Mr. Woods in St. Andrews eine Spur intensiver zu beobachten als man das sonst so von einer Turnierwoche im Media-Center gewohnt war.
Also nahm ich schon am Montag Fährte auf, denn ich wollte einen speziellen Tiger journalistisch zur Strecke bringen. Erstes Gebot dabei: Schau genau! Das Internet steckte noch ein wenig in den Kinderschuhen, die Startzeiten zu den Proberunden – heutzutage Standard – gab es nur am Aushang im Pressezelt: Tiger hat sich am Montag für 6 Uhr 30 eingetragen.
Wohnen in St. Andrews
Man kann sich ausmalen, dass die Zimmerpreise während der Open-Woche ein wenig anziehen, das Old Course Hotel ausgebucht ist und ein Quartier außerhalb der Stadt ein wenig Staugefahr in sich birgt. Zweites Gebot: Schau genau! Die Uni in St. Andrews bot damals, zugegeben etwas schlichte Zimmer feil, samt Gemeinschaftsdusche und -WC. Zugegeben: Kein Knüller auf den ersten Blick, auch nicht auf den zweiten. Aber: Der Preis hat gepasst und das Thema Stau, Parkplatzsuche oder Shuttlebus (inklusive der Chance diesen zu verpassen) waren damit gebannt. Der Gehweg entlang der North Street hinunter bis zur Ecke hinüber zum Clubhaus betrug schlanke 8 Minuten. Damit war dieses Thema erledigt und in der Folge auch die leichte Übung Mister Woods eine Woche lang zu „stalken“. Denn der Tiger bezog seinen goldenen Käfig an Loch 17 von St. Andrews’ Old Course, im Old Course Hotel.
Pflichtbewusst stehe ich also am Montag um 6 Uhr 20 am ersten Tee des Old Course um Tiger auf die Pelle zu rücken. Was in Anbetracht seines damals noch relativ neuen Caddy Steve Williams ziemlich aufwändig war. Williams sah sich nämlich mehr als Bodyguard denn als Caddy und scannte mit seinem Blick die Umgebung unerbittlich nach eventuellen Störenfrieden ab. Als Journalist zählt ich nach Williams Dafürhalten zu einem ebensolchen.
Die Runde bestritt er übrigens alleine und war kurz vor 9 Uhr fertig. Monty wischt sich zu diesem Zeitpunkt im Clubhaus gerade die letzten Krümel seines Frühstücks aus dem Gesicht. Woods marschierte nach seinem Frühstück für 2 Stunden auf die Range. Dort übte er lange Eisen mit einer Flughöhe unter 10 Meter. Nach dem Mittagessen ging es zur Physio und anschließend ins Fitness-Center. Am frühen Abend stand Chippen und Putten am Programm ehe ein gemütlicher Strandlauf um 19 Uhr 30 den durchgetakteten Tag beendete.
Auch für mich standen dann noch 15 Minuten Fußmarsch am Programm. Und während Tiger in seiner Suite vermutlich ein entspannendes Bad nahm, schlapfte ich in das Gemeinschaftsbad des studentischen Wohntrakts der Uni St. Andrews…
Tiger & der Karriere-Slam
Nach drei Tagen, an denen sich das Programm für Tiger (und damit auch für mich) kaum änderte begannen am Donnerstag die glorreichen Woods-Festspiele: Sein Sieg mit acht Schlägen Vorsprung war jener mit dem größten Vorsprung seit 1913,
die gesamt 269 Schläge, der tiefste Score ever bei einem Major
und keiner dieser 269 Schläge war ein Bunkerschlag!
Woods schwindelte seine langen Eisen vier Tage lang an allen 112 Bunkern, inklusive Hell Bunker (Loch 14) und Road Hole Bunker (Loch 17) vorbei und verwendete den Driver in homöopathischen Dosen.
Danach gibt’s das erste Mal den Claret Jug für Woods, er feiert seinen Karriere-Slam und wird gemeinsam mit der damaligen Nummer 2 der Welt David Duval zur Leuchars Royal Air Force Base gebracht, keine 5 Minuten von St. Andrews. Duval und Woods gehörten zum selben Management, sie spielten gemeinsam im Schlussflight am Sonntag. Während Duval sein nicht vorhandenes Charisma hinter Sonnenbrillen versteckt, spaziert Woods mit dem Claret Jug unter dem rechten Arm und einem Handgepäckskoffer auf dem Cartman eingestickt ist, eine Figur aus der Serie South Park.
Artig küsst er seine Mutter Kultida mit den Worten: „Ich melde mich, wenn wir gelandet sind“, lächelt seine damalige Freundin Janina Jagoda an und verschwindet mit ihr gemeinsam im Courtesy Car.
Davor durften ein deutscher Kollege und ich 15 exklusive Minuten mit Woods im Old Course Hotel verbringen. Ich war nervös wie beim ersten Date, der Ablauf aber weniger aufregend: 10 Fragen, keine Fotos, kein Autogramm. Danke, Hände schütteln und Ciao… Immerhin: Ich hatte eine Art Privataudienz beim Superstar des Golfsports, hatte ihm die Hand geschüttelt und gehofft es wirkt sich ähnlich auf mein Golf aus wie das Hand auflegen von Jesus. War aber nicht…