Freitag, Apr 26, 2024
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The Match: Erst kommt das Fressen, dann die Moral

Es ist an der Zeit, ein ernstes Wörtchen mit ein paar Herren zu sprechen. Noch ist schwer zu sagen, mit wem genau, aber irgendwer muss zumindest moralisch zur Rechenschaft gezogen werden. Weswegen wir anders beginnen wollen: Sport dient uns ja als die kleine Freude im Leben. Das bisschen nebenbei nach getaner Bürotätigkeit auf der Driving Range oder im Fitness-Studio (das sind diese Läden, in denen Menschen vorzugsweise im Winter zwei-, dreimal auftauchen und für die sie begeistert 150 Euro im Monat hinblättern. Weil man ja nach dem Workout noch schnell in den großen Saunabereich kann oder zum Schwimmen in den hauseigenen 10-Meter-Pool. Und in denen diese Leute dann ebenso schnell nie mehr gesehen werden, weil dann 23. November ist oder Weihnachten. Und keine Zeit. Und weil dann schon wieder Frühling ist und da macht man Sport ja sowieso draußen …) 

Jedenfalls: Sport dient uns ja als die kleine Freude im Leben. Insbesondere dann, wenn wir ihn nicht selbst ausüben müssen, sondern anderen dabei zuschauen können. Gerade weil wir uns nicht vom ach so sportlichen Zwei-Flaschen-Wein-sind-auch-isotonisch-Ertüchtigungsfachmann Goethe unsere Unfähigkeit zum sportlichen Engagement vorwerfen lassen wollen. Der Ausspruch „Unser deutsches Kegelbahnvergnügen erscheint roh und ordinär und hat sehr viel vom Philister“, wurde dem Frankfurter einst in den Mund gelegt. Und selbst, wenn er den Satz nicht gesagt haben sollte – so wollen wir nicht sein. Wir sitzen aufrecht und stark auf dem Sofa, die Brust so stolz gereckt wie möglich nach getanem Mahl, bereit, gegen den Muff von tausend Jahren unter unseren Talaren anzukämpfen. Soll er doch schneller laufen, der Marathonmann. Kann er nicht höher springen, der Sportsoldat, was macht er denn den ganzen Tag? Spielt er schon wieder kein Birdie, diese Pfeife, wie heißt sie noch? Michelsen? Mickselmann? Michegal? 

Genau, gerade Golfer, das sind diejenigen, über die wir uns besonders gern echauffieren. Schieben aus zwei Metern billigste Putts vorbei, ziehen den siebten von sieben Drives links ins Rough, überhaupt, schaffen mit Mühe die Par-Runde, wo doch jeder weiß, wie leicht die Fahnenpositionen heute wieder sind. Also wirklich. Wenn wir da mitspielen könnten, wir würden das auch nicht schlechter machen. Diese erbärmlichen Figuren. Wetten? Wetten? Eins gegen eins, nur einmal? Um eine Kiste Bier? Oder, weil wir es sind, um hundert Euro?

Und jetzt ist es an der Zeit, ein ernstes Wörtchen zu reden. Und zwar mit uns. Wenn nämlich Phil Mickelson (!) und Tiger Woods am 23. November, dem Thanks-giving-Wochenende, zu einer Veranstaltung namens „The Match“ antreten sollen, dann dürfen wir nicht zuschauen. Nicht, weil es nicht interessant wäre, zwei wirklich gute Sportler dabei zu verfolgen, wie sie im Duell gegeneinander antreten. Nicht, weil keine Leistung zu erwarten wäre. 

„Ein Unternehmen, das sich nur um Geld dreht, ist ein schlechtes Unternehmen.“ Henry Ford

Nein, die beiden Herren pervertieren den Sport mit ihrem von Medienhäusern gepushten Event. Es steht kein Titel im Raum, es geht um keine Qualifikation. Herrschaftszeiten, das Ganze findet in Las Vegas statt und ist noch nichtmal ein popeliger Schwergewichtskampf irgendeines unbedeutenden Boxweltverbandes. Da spielen zwei Figuren ein erbärmliches Show-Event. Es geht um nichts. Um gar nichts. Es geht einzig und allein um neun Millionen Dollar. Winner takes it all, -blöde Sprüche inklusive, weil beide Golfer verkabelt sein werden. So dass auch jeder mitbekommt, wie sie sich, haha, lustig, gegenseitig aufziehen, während sie in der Herbstsonne Nevadas um das 391fache Jahresgehalt einer Putzfrau zocken. Nebenbei, das wird niemand von den Veranstaltern, mit denen man noch viel ernstere Wörtchen sprechen müsste, müde zu betonen, spielen sie natürlich auch um Geld für einen guten Zweck. Wahrscheinlich für den Unterstützungsfonds amerikanischer Putzfrauen, die sich vom Erlös neue Lappen kaufen dürfen. Aus mexikanischer Herstellung.

Bei THE MATCH geht um nichts. Um gar nichts. Es geht einzig und allein um neun Millionen Dollar. Winner takes it all, – blöde Sprüche inklusive, weil beide Golfer verkabelt sein werden.

Auf den US-Unternehmer Henry Ford geht folgendes Zitat zurück: „Ein Unternehmen, das sich nur um Geld dreht, ist ein schlechtes Unternehmen.“ Und wenn sich zwei Sportler auf ein schlechtes Unternehmen einlassen, dann muss man ihnen zeigen, was man davon hält. Indem man die Finger und Augen davon lässt, die teuren Extrapakete von ESPNHBOTNTSKYFOX nicht erwirbt. Weil diese Unternehmung alles pervertiert, was Sport, ach Quatsch, was das Leben ausmacht. Und das will was heißen, in einer Welt, die an blödsinnigen Unternehmungen derzeit nicht -gerade arm ist.

Am 23. November sollten Sie sich etwas vornehmen. Am 23. November 1992 sterben im schleswig-holsteinischen Mölln zwei Mädchen und ihre Großmutter bei einem Anschlag auf zwei von türkischen Familien bewohnte Häuser. Vielleicht denken Sie dann einfach darüber nach. Natürlich können Sie fragen: „Warum schlagen die uns nicht wenigstens was Schönes vor, das wir am 23. November machen könnten?“ Dann könnten wir antworten: „Gehen Sie doch eine Runde Golf spielen. Jedes Loch zehn Euro für den Putzfrauenfonds.“ Das könnten wir machen. Sie könnten die Sache aber auch so ernst nehmen wie die Wörtchen, die man darüber reden muss.

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