Wenn ich meine Golfschläger als Vintage bezeichne, ist das noch eine liebevolle Untertreibung. Mein Twoball-Putter von Odysee „wohnt“ schon über 25 Jahre in meinem Bag, ein, zwei Hölzer tun ihre Dienste auch schon über 15 Jahre, der Rest ist gut abgespielt. Zeit also, über einen Schlägerkauf nachzudenken. Mir war klar, ich brauche eine Entscheidungshilfe, bei dem Angebot an neuen Schlägern, Marken, und blumigen Versprechungen der Hersteller. Da blickt kaum einer richtig durch. Und, auch das war mir klar, was zu einem passt, ist davon abgesehen individuell. Der beste Schläger kann bei mir vielleicht gar nicht funktionieren bzw. die Stärken ausspielen. Jeder Spieler hat unterschiedliche Bedürfnisse, Vorlieben und Wünsche. Also, was tun? Einfache Antwort: Ein Schlägerfitting buchen. Im Schnitt kostet ein Club Fitting 75 bis 100 Euro und wird beim Kauf eines Equipments angerechnet. Das ist eine Investition, die sich (hoffentlich) in Form eines besseren Spiels und mehr Spaß auf dem Platz auszahlt. Und zwar nicht nur für sehr gute Amateure oder Profis: die größten Verbesserungen werden bei mittleren und hohen Handicaps erzielt.
Clubfitting für jedes Leistungsniveau
Technologie und Digitalisierung machen heutzutage ein perfektes Fitting möglich. Hierbei wird meist Indoor auf eine Leinwand geschlagen, Radar- und Kamerasysteme zeichnen den Ballflug detailgetreu auf und spielen die Daten in Echtzeit ein. Dazu kommen verschiedene Perspektiven, die den Schwung – und in Folge den passenden Schläger – identifizieren.
Ich buche einen Termin im Golfstarshop in Stockerau. Manuel begrüßt mich freundlich und bittet in die Test-Kabine. Der Launch Monitor ist bereits eingeschaltet, am Boden liegt eine Matte, auf der Leinwand vor mir sehe ich schon alle möglichen Werte, die gleich gemesssen werden: Schlagwinkel, Ballgeschwindigkeit, Schwungebene, Spin-Rate, Weite, Angle of Attack. Wir unterhalten uns kurz über mein Spiel und wo im allgemeinen meine Probleme liegen. Ich bin normal groß, meine Armlänge normal, daher verzichten wir darauf, meine Körpermaße zu messen. Ich sage meine präferierten Marken, und natürlich mein Handicap und wie alt die Schläger sind. Der Experte nimmt sie kurz in Augenschein, schaut sich auch die Griffdicke an, dann drückt er mir mein eigenes Eisen 7 in die Hand und bittet mich, einige Schwünge zu machen.
Das Ziel beim Fitting: perfekte Schläger nach Maß
Los geht’s! Ich klopfe auf mein Eisen drauf, die ersten zwei Schläge sind kurz und fliegen nach rechts ab, aber es kommen ohnehin nur die gut getroffenen Schläge in die Wertung. Auf Basis der Messdaten sieht er, wie gut mein Eisen bei mir funktioniert. Dann geht es an die eigentliche Arbeit: Verschiedene Köpfe verschiedener Marken, verschiedene Schäfte (Gewicht, Flexibilität) werden mir nach und nach in die Hand gedrückt. Ich probiere einen Herrenschaft aus, weil meine Schwunggeschwindigkeit ganz ordentlich ist. Aber das Ergebnis ist schlecht, also wieder zurück zu Damenschäften. Leider sind die Einstufungen der Steifigkeit bei den Herstellern unterschiedlich, hier braucht es also viel Erfahrung des Pros, mit dem man das Fitting macht. Dann verstellt mein Tester Manuel das Lie um 2 Grad, und schon treffe ich die Bälle besser, weil nicht mehr so an der Spitze. Lie, Loft, Flex, Spin… Begriffe schwirren herum, Manuel erklärt sie geduldig.
Die wichtigsten Begriffe, auf die es ankommt
LOFT: Neigungswinkel der Schlagfläche eines Golfschlägers. Der Loft entscheidet, in welchem Winkel der Golfball startet und welche Weite mit einem Schläger erzielt werden kann.
LIE: Bezeichnet den Winkel der Sohle des Schlägerkopfes zum Schaft des Golfschlägers. Um den Ball korrekt anzusprechen, sollte der Lie-Winkel so gewählt werden, dass sich die Sohle exakt parallel zum Boden befindet.
FLEX: Das ist die Längssteifigkeit des Schaftes. Dieser sollte an die jeweilige Schwunggeschwindigkeit eines Spielers abgestimmt werden.
Lie und Loft ist aber nicht alles, aber natürlich macht es viel aus, welches Kopfmodell verwendet wird. Entscheidend ist, wie das Gewicht am Schlägerkopf verteilt ist. Mit der wichtigste und vernachlässigste Punkt ist der Schaft. Der Schaft ist der “Motor des Schlägers”. Ohne den richtigen wird es oft ganz schwer, “seinen” Schläger zu spüren.
Technologie ist Trumpf, aber nicht alles
Bei einem sinnvollen Fitting kommt es klarerweise auch auf die Dateninterpretation an. Denn die Technik alleine ist nicht alles. Wie so oft: Das Zusammenspiel von Mensch und Maschine ist entscheidend. Der Equipment-Experte erklärt: „Die beste Messtechnik hilft nichts, wenn man die Ergebnisse nicht richtig interpretieren kann.“ Eigentlich einleuchtend. Wenn dann ein oder mehrere geeignete Varianten an Schlägern gefunden sind, geht es idealerweise zur Entscheidung. Die Werte aus der Analyse werden noch einmal verglichen.
Ich sehe das auf der Leinwand: verschieden bunte Kreise, die möglichst im oberen Feld und nah beieinander liegen (sprich, also wenig Abweichung nach links oder rechts, und gute Länge).
Letztendlich spielen auch Optik und Preis eine Rolle. Ein Schläger muss einem auch optisch gefallen. Klingt komisch, ist aber so. Vor allem beim Putter ist das ein Kriterium. Daher raus aus der Kabine rüber auf das kleine Puttinggrün, um das herum unzählige Schläger stehen. Als erstes gilt es abzuklären, ob ein Blade- oder Mallet-Putter besser geeignet ist. Ich führe den Putter immer im leichten Bogen zurück, daher ist ein Mallet besser geeignet. Durch sein hohes Trägheitsmoment verzeiht er nicht mittig ausgeführte Schläge am ehesten und verdreht sich nicht so leicht, bekomme ich erklärt. Manuel drückt mir einige Modelle in die Hand, ich putte aus 2,5 Meter Entfernung, viele gehen rein. Ich fühle in mich hinein: was taugt mir, was fühlt sich sympathisch an? Auch da fällt mir die Wahl schwer. Meine potentiellen neuen „Arbeitsgeräte“ sind teuer (hier habe ich die Preisentwicklung in den letzten Jahren offenbar verschlafen) und von der Optik her gefällt mir der besser, mit dem ich schlechter geputtet habe.
Finde den besten Schläger
Mein Fazit: Ein Clubfitting kann sehr aufschlussreich sein. Man bekommt eine gute Ahnung, was einem liegt, wo und warum es beim Schwung hapern könnte und wie das richtige Equipment positiv unterstützen kann. Passend konfiguriert können moderne Golfschläger das individuelle Spiel auf ein neues Level heben. Alles spricht also dafür, keine Schläger von der Stange zu kaufen, sondern zuerst zu checken, was zu einem passt. Einige Marken gehen mittlerweile sogar so weit, dass sie ihre Schläger ohne Anpassen gar nicht mehr verkaufen. In meinem Fall verlasse ich meinen Fittingtermin allerdings ohne neue Schläger. Ich bin noch etwas unschlüssig und muss noch mal drüber schlafen.
Eine Übersicht: Wie läuft ein Schläger-Fitting ab?
- Gespräch mit dem Spieler (u.a. über Spielniveau, Spielhäufigkeit, Trainingsmotivation, Stärken und Schwächen, typischer Ballflug)
- Statische Ausmessung (Körpergröße, Armlänge, Handgröße)
- Warm-Up mit eigenen Schlägern, nachdem der eigene Schlägersatz angeschaut wurde in punkto Länge, Griff, Winkel, Gewichtungen
- Bewertung der Ballflugdaten der eigenen Schläger am Launch-Monitor (Ist-Stand)
- Vergleich verschiedener Köpfe und Schäfte
- Subjektiven Testsieger festlegen und mit objektiven Daten am Launch-Monitor vergleichen
- Optik und Individualisierungsmöglichkeiten definieren