Der Ryder Cup gilt heute als eines der bedeutendsten Mannschaftssportereignisse der Welt. Möglicherweise ziehen der Super Bowl oder das Finale der Fußball-Weltmeisterschaft ein ähnlich großes Publikum vor die Bildschirme – doch keines dieser Events vereint sportliche Strahlkraft und kulturelle Symbolik auf so einzigartige Weise wie dieses traditionsreiche Duell über den Atlantik hinweg. Seit beinahe einem Jahrhundert ist der Ryder Cup nicht nur ein herausragendes Sportereignis, sondern eine prägende Institution des Golfsports. Ein Beleg dafür, wie aus kleinen Ideen große Geschichten erwachsen können. Und auch wenn viele Persönlichkeiten an der Entstehung dieses Wettbewerbs beteiligt waren, besitzt es eine gewisse poetische Fügung, dass ausgerechnet Samuel Ryder – ein Samenhändler aus St Albans, nahe London – Mitte der 1920er-Jahre jenen entscheidenden Impuls für den kontinentalen Wettstreit gab. Er pflanzte den Samen des sportlichen Vergleichs – und aus ihm wuchs das wohl farbenprächtigste Sportbouquet der Geschichte.
Es waren eben jene unscheinbaren Samentütchen, wie man sie heute in der Gemüseabteilung jedes Supermarktes findet, die den 1858 im Nordwesten Englands geborenen Ryder zu beachtlichem Wohlstand führten. Schon sein Vater, Samuel Sr., war Gärtner und betrieb florierenden Handel mit Pflanzen. Doch erst der Sohn revolutionierte das Geschäft – indem er Saatgut in kleinen Einheiten zu minimalen Preisen per Post in alle Winkel des Landes verschickte. Die Idee traf den Nerv der Zeit, machte ihn in wenigen Jahren vermögend. Es entstanden Tochterunternehmen, darunter ein Heilkräuterhandel mit dem fast lyrischen Namen „Heath & Heather“ – ein klangvolles Etikett, das sich im Deutschen leider nur zu dem spröden „Heideland & Heidekraut“ übersetzen lässt. Geführt wurde die Manufaktur von Ryders Bruder James – und avancierte zu einem der ersten bedeutenden Sponsoren des britischen Golfsports. Damit legte das Unternehmen auch eine der Wurzeln für die Entstehung des legendären Ryder Cups.
Auf ärztlichen Rat hin, mehr Zeit an der frischen Luft zu verbringen, begann Samuel Ryder widerwillig, sich mit dem Spiel über die Fairways zu bewegen.
Samuel Ryder selbst fand erst spät zum Golfsport – mit fünfzig Jahren. Seine eigentliche Passion galt zuvor dem Cricket. Auf ärztlichen Rat hin, mehr Zeit an der frischen Luft zu verbringen, begann er widerwillig, sich mit dem Spiel über die Fairways zu bewegen. Doch was zunächst als verordnetes Vergnügen begann, entfachte rasch seinen Ehrgeiz. Ein Jahr lang trainierte Ryder unter Anleitung eines Golf-Professionals namens Hill mit beinahe fanatischer Disziplin – sechs Tage pro Woche, Sonntag ausgeschlossen. Mit 51 Jahren spielte er Handicap 6 und trat 1910 dem Verulam Golf Club in St Albans bei. Seine neu entflammte Leidenschaft für den Golfsport sollte sich bald in großzügiger Unterstützung manifestieren – Ryder wurde zum Mäzen im klassischen Sinne, wie man ihn aus den frühen Tagen des semi-professionellen Sports kennt.
Vormittagspartien – Klassischer Vier, ab 13 Uhr MEZ

Von Samentütchen zum Sportmythos – Samuel Ryder und der Ursprung einer Idee
Gerade in seiner Entstehungszeit lässt der Ryder Cup interessante Parallelen zum modernen Golfsport, ja zum Sport allgemein erkennen. Die Initialzündung für den kontinentalen Vergleich der besten Spieler der USA und Großbritanniens ging ursprünglich nicht von Samuel Ryder aus, sondern von einem amerikanischen Golfjournalisten: James D. Harnett, Redakteur des Magazins Golf Illustrated. Ihm war es ein Anliegen, die besten amerikanischen Golfer zur Open Championship 1921 nach St Andrews zu entsenden – ein Turnier, das bis dahin kein US-Amerikaner für sich hatte entscheiden können. Um das Vorhaben zu finanzieren und zugleich die Bekanntheit des Magazins zu steigern, initiierte Harnett einen Spendenaufruf unter den Lesern. Eine Strategie, die an den Ursprung der Tour de France erinnert, die 1903 primär ins Leben gerufen worden war, um die Auflage der französischen Sportzeitung L’Auto – heute L’Équipe – zu steigern.
Harnetts Kampagne war ein Erfolg. Zwölf US-Golfer reisten 1921 mit zeitlichem Vorlauf nach Schottland, um sich auf die Open vorzubereiten. Im Zuge dieses Trainingslagers entstand die Idee eines freundschaftlichen Vergleichs mit britischen Spielern – ausgetragen am 6. Juni 1921 in Gleneagles. Dieser erste, noch inoffizielle, Länderkampf bestand aus fünf Foursomes und zehn Einzeln – ein Format, das dem heutigen Ryder Cup bereits erstaunlich nahekam. Die Briten gewannen mit 9:3; drei Matches endeten unentschieden. Für die Amerikaner zwar ein sportlicher Dämpfer – aber der Zweck war erfüllt: In Jack F. „Jock“ Hutchison trug sich erstmals ein US-Spieler in die Siegerliste der Open Championship ein (auch wenn er ursprünglich aus St Andrews stammte).
In den darauffolgenden Jahren geriet die Idee eines regelmäßigen transatlantischen Vergleichs wieder ins Stocken. Zu groß waren die logistischen und finanziellen Hürden. Zu unregelmäßig nahmen genügend Spieler die weite Reise auf sich. An dieser Stelle betritt ein weiterer prägender Akteur die Bühne: Walter Hagen. Der Sohn deutscher Einwanderer hatte sich das Golfspiel in Rochester, New York, autodidaktisch erschlossen. Als Caddie verdiente er sich erste Pennys – und erhielt so Zugang zur Welt des Golfplatzes. Was ihm verwehrt blieb, war gesellschaftliche Akzeptanz. Denn Golf war in jener Zeit ein ausgesprochener Amateursport: Wer spielte, tat es nicht aus finanziellen Motiven, sondern weil er es sich leisten konnte. Hagens Kampf galt daher der Anerkennung des Berufs „Golfprofi“. Seine Herkunft – Arbeiterklasse, gepaart mit außergewöhnlichem Talent – prägte seinen Weg.
Walter Hagen und der Kampf um den Platz in der Gesellschaft

Andere Sportarten wie Baseball boten damals bessere finanzielle Perspektiven: Um 1910 verdiente ein Baseballspieler in der US-Profiliga durchschnittlich 2.300 Dollar jährlich – heute umgerechnet etwa 40.000 Dollar. Umgerechnet auf damalige Fabrikslöhne war das ein kleines Vermögen. 1914 erhielt Hagen ein Angebot zum Probetraining bei den Philadelphia Phillies – doch er sagte ab. Wegen eines Golfturniers. Eine Woche später gewann er im Alter von 22 Jahren die US Open. Die Weichen waren gestellt. Fortan setzte sich Hagen mit Nachdruck für die Rechte und das Ansehen der Golf-Professionals ein. 1922 – ein Jahr nach Hutchison – gewann er als erster gebürtiger Amerikaner die Open Championship. Zutritt zum Clubhaus blieb ihm dennoch verwehrt: Es war den Mitgliedern vorbehalten. Hagen mietete sich daraufhin kurzerhand eine Luxuslimousine, parkte sie vor dem Clubhaus, zog sich darin um – und speiste dort. Sein Protest wurde zur Legende.
Erster Ryder Cup:
3.–4. Juni 1927, Worcester Country Club, Massachusetts, USA
Angetrieben von sportlicher Leidenschaft und dem Wunsch nach ökonomischer Anerkennung, schlug Hagen 1926 erneut einen Länderkampf zwischen Großbritannien und den USA vor. Anfang Juni traten in Wentworth je zehn Spieler beider Nationen gegeneinander an – von Hagen persönlich zusammengestellt. Das Ergebnis: ein ernüchterndes 13:1 zugunsten der Briten. Erstmals involviert: Samuel Ryder. Seit 1923 hatte er, unterstützt von Bruder James und „Heath & Heather“, Turniere gesponsert. Für den Länderkampf 1926 hatte er eine Trophäe stiften wollen, entschied sich aber, diese zurückzuhalten. Der Ablauf des Wettkampfs war zu unkoordiniert: Regelstreitigkeiten, kurzfristige Anreise der Amerikaner, uneinheitliche Teamzugehörigkeit. Ryder, Hagen und der britische Kapitän George Duncan einigten sich daraufhin auf eine Neuauflage – diesmal in den USA.
Die erste offizielle Austragung des Ryder Cups fand am 3. und 4. Juni 1927 im Worcester Country Club in Massachusetts statt – minutiös vorbereitet. Die britische Ausgabe von Golf Illustrated rief zu Spenden auf, um die Überfahrt zu finanzieren. Obwohl das Ziel von 3.000 Pfund nicht erreicht wurde, stockte Ryder den Betrag aus eigener Tasche um 500 Pfund auf. Die von ihm gestiftete Trophäe – ein filigraner Pokal im Wert von 250 Pfund – war mit im Gepäck. Bis heute wird sie unverändert verliehen. Der goldene Golfer auf dem Deckel stellt Ryders Lehrer Abe Mitchell dar. Beide verband eine tiefe Freundschaft – nicht zuletzt, weil auch Mitchell seine Wurzeln im Gartenbau hatte. Vielleicht aber war es Ryders Gespür für Talente und seine Überzeugung von der Notwendigkeit ihrer Förderung, die ihn Mitchell so eng verbunden sein ließ. Bereits zuvor hatte Ryder die Brüder Whitcomb bei ihrem Aufstieg unterstützt – gegen alle finanziellen Widerstände. Für Ryder war Talent ein Gut, das es zu pflegen galt. Ein Gedanke, der heute aktueller denn je.
Die Geburt einer Legende – Der erste Ryder Cup 1927
1925 wurde Mitchell Ryders persönlicher Pro – für ein Jahresgehalt von 1.000 Pfund. Ein Vertrag, der vor allem als Vehikel zur Finanzierung von Turnierreisen diente. Eigentlich sollte Mitchell die britische Mannschaft 1927 als Kapitän anführen. Doch eine Erkrankung verhinderte seine Teilnahme, Ted Ray übernahm. Die Premiere ging klar an die USA: Mit 9½ : 2½ siegten sie in vier Vierern und acht Einzeln. Im Anschluss wurde beschlossen, den Ryder Cup künftig alle zwei Jahre auszutragen – stets im Umfeld der großen Majors. So wurde nicht nur die Reiseorganisation vereinfacht, sondern das Spiel als Mannschaftserlebnis geadelt.
Es gibt im Sport stets Sieger und Verlierer – doch Männer wie Samuel Ryder, Walter Hagen, Abe Mitchell und George Duncan haben mehr gewonnen als Matches: Sie erschufen das bedeutendste Mannschaftsturnier im Golfsport. Eine Trophäe, die nicht mit Preisgeld lockt – sondern mit dem höchsten Gut des Sports: Ehre.
SimplyGood2know: Ryder Cup
Samuel Ryder verstarb 1936 in London. Seine Enkelin Mary Moore ist bis heute bei jeder Austragung des Ryder Cups anwesend.
Walter Hagen gewann 52 Turniere, darunter 11 Majors. Er war Kapitän der US-Mannschaft bei den ersten sechs Ryder Cups – fünfmal als aktiver Spieler, einmal als non-playing Captain.
Abe Mitchell feierte 25 Turniersiege und spielte in den Ryder Cups 1929, 1931 und 1933.
George Duncan gewann 22 Turniere, darunter die Open Championship 1920. Er war Teil des Ryder Cup-Teams 1927, 1929 und 1931 – 1929 als siegreicher Kapitän.