Das Wandergewerbe Golfprofi auf einer der großen Touren und Flugangst schließen sich -eigentlich aus – nicht für Florian Fritsch. Der 31 Jahre alte gebürtige Münchner verdient spielend seinen Lebens-unterhalt auf der European Tour, obwohl er unter -extremer Aviophobie leidet, wie es die Wissenschaft nennt, ein Novum auf dieser Veranstaltungsreihe. Seit 2010 hat der Deutsche für keine einzige Dienstreise mehr ein Flugzeug bestiegen, was seine Arbeitsmöglichkeiten drastisch einschränkt. Wie stark, zeigt ein Blick auf den Turnierkalender: In der Saison 2016/2017 zählen zur European Tour 46 Turniere in Europa, Afrika, Australien und den USA. Fritsch muss sich -allerdings auf Veranstaltungen beschränken, die er mit dem Auto und Fähren erreichen kann. In diesem Jahr dürfte er mehr als 40.000 km in seinem vom Sponsor BMW zur Verfügung gestellten Auto fahren – darunter Strecken wie bei seinem Saison-auftakt im April nach Rabat (Marokko), sein einziger Auftritt außerhalb Europas. Nach dem Trainingslager seines Clubs St. Leon-Rot in Faro (Portugal) fuhr er nach Gibraltar, nahm die Fähre nach Tanger und reiste noch einmal 300 km nach Rabat. Den Rückweg absolvierte er in einem Rutsch bis zu seinem Wohnort Neckargmünd bei -Heidelberg. 2760 km, die er mit seinem Caddie und dessen Verlobter in eineinhalb Tagen mit ständigen Fahrerwechseln hinter sich brachte.
„Die Kollegen reagierten anfangs mit Verwunderung, das ging dann in Humor über. Jetzt haben sie sogar richtig Spaß daran. Immer wenn ich irgendwo hinkomme, wollen sie wissen, wie ich gefahren bin. Oft schließen sie Wetten ab, welche Strecke ich genommen habe. Oder sie schauen mal nach, wie man mit dem Auto nach Südafrika kommen kann, und schicken mir das. Caddies haben mir sogar erzählt, dass es einen Zug von London nach Hongkong gibt. Aber leider benötigt der 17 Tage“, erzählt Fritsch. Die Hongkong Open bleibt für ihn also weiter unerreichbar, statt zu klagen, sieht Flo, wie ihn die Kollegen nennen, aber der neuen Saison voller Optimismus entgegen. „In diesem Jahr bin ich in einer Luxus-Situation. Ich habe mir im vorigen Jahr über den 101. Platz im Race to Dubai (europäische Geldrangliste) die volle Spielberechtigung für die European Tour erspielt. In den letzten Jahren konnte ich immer nur an 18 Turnieren teilnehmen, in diesem werden es wahrscheinlich 20, 21, mit Potential nach oben. Ich kann mir jetzt meine Turniere aussuchen“, sagt Fritsch und fügt dann gleich hinzu: „Obwohl sie irgendwie doch vorgegeben sind.“ Vor allem sind es noch immer deutlich weniger als die meisten Kollegen, die mit Ausnahme der Stars rund 30 Mal antreten.
Klassischer Bildungsweg statt steiler Karriere
Als volles Mitglied der European Tour ist Fritsch jetzt wieder da angekommen, wo sein Weg seit frühester Jugend hinzuführen schien: in der Eliteklasse des Golfs. Mit zehn Jahren machte er im Golfclub München-Ost in Pfaffing seine ersten Schläge. Mit zwölf Jahren ging er nach Bradenton in die Golfakademie des Schwunggurus David Leadbetter. Drei Jahre, von 1998 bis 2001, blieb er in Florida. „Damals spürte ich nicht die geringste Angst beim Fliegen“, erinnert sich Fritsch. Er kehrte nach Deutschland zurück, spielte von 2002 bis 2009 in der Jungen- und Herren-Nationalmannschaft des Deutschen Golf Verbands, viele Jahre an der Seite des knapp ein Jahr älteren Martin Kaymer, mit dem er gemeinsam im Vierer antrat. Aber dann trennten sich die Wege. Kaymer ging auf die ProGolf Tour und startete kometenhaft durch. Fritsch wählte einen anderen Weg und studierte mit einem Golfstipendium von 2005 bis 2008 an der University von South Carolina Sport- und Entertainment-Management, eine Ausbildung, die er mit einem Fern-studium zum IST Diplom-Sportmanager abschloss.
„Am 20. Mai hatten wir unseren fünften Hochzeitstag. Ich habe meiner Flugangst zu verdanken, dass ich meine Frau kennenlernen durfte, mit der ich mittlerweile zwei wunderbare Kinder habe“, sagt Fritsch.
Die Entdeckung der Flugangst
2009 wechselte auch Fritsch ins Profilager, aber schon damals plagte ihn die Flugangst. So genau kann er nicht mehr fest-machen, wann ihn diese Phobie ereilte: „Vielleicht war es im August 2006 beim Flug nach Turin zur Einzel-Amateur-Europameisterschaft in Biella. Über den Alpen gab es heftige Turbulenzen und ich fragte den neben mir sitzenden Nationaltrainer, was eigentlich passieren würde, wenn wir abstürzen.
Er antworte, dass es dann recht schnell gehe, dann seien wir durch. Von da an habe ich angefangen, darüber nachzudenken: Wo sitze ich eigentlich drin, wie hoch fliegen wir überhaupt und was hält diesen tonnenschweren Stahlkoloss eigentlich da oben? Dann habe ich mich immer mehr damit beschäftigt, und irgendwann habe ich gedacht, in zehn Kilometer Höhe in einem 900 Stundenkilometer schnellen Stahlkoloss, da fühle ich mich nicht wohl.“ Die anfängliche Skepsis steigerte sich zu -einer extremen Aviophobie. So extrem, dass er sich 2010 nach dem etwas ruppigen Flug von München nach Zürich entschloss, nicht den Weiterflug nach Nairobi zu einem Turnier der Challenge Tour anzutreten: „Damals habe ich gesagt: Das war’s. Ich werde Golflehrer. Ich mag nicht mehr.“ Er nahm einen Zug nach Heidelberg und ließ sich von einem befreundeten Teaching Pro abholen. Der musste auf dem Rückweg einen Zwischenstopp einlegen, um für die Doktorarbeit eines Freundes ein paar Schwünge zu machen, später nahm auch Fritsch an der Studie teil. Die Schwester des Doktoranden, die als -Assistentin alle Probanden vermaß, ist jetzt seine Frau. „Am 20. Mai hatten wir unseren fünften Hochzeitstag. Ich habe meiner Flugangst zu verdanken, dass ich meine Frau kennenlernen durfte, mit der ich mittlerweile zwei wunderbare Kinder habe“, sagt Fritsch.
Neustart: Im zweiten Anlauf zum dauerhaften Erfolg
Lange hat Fritsch versucht, die Flugangst zu überwinden. Früher rannte er von Therapeut zu Therapeut, suchte Wunderheiler auf, doch die Angst blieb, niemand konnte sie ihm nehmen. Das führte dazu, dass er sich zeitweise vom Profigolf zurückzog und sich zum Golflehrer-Assistenten ausbilden ließ. „Ich hatte unheimlich viel Zeit und Geld investiert, um die Flugangst loszuwerden. Als ich mich dann entschlossen hatte, nicht mehr zu fliegen, spielte ich auf einmal viel besser, obwohl ich kaum noch trainierte. Jetzt bin ich an einem Punkt meines Lebens angelangt, an dem ich meine Furcht akzeptiert habe und glücklich bin. Die Flugangst hat mir geholfen, zu mir selbst zu finden. Sie ist eines der besten Dinge, die mir im Leben passiert sind.“ Fritsch erspielte sich Ende 2010 erstmals über die Tour School die Spielberechtigung für die European Tour, verdiente 2011 aber nicht genügend Preisgeld, um den Arbeitsplatz zu erhalten. Das ist einer der Gründe, warum er sich zwischenzeitlich vom Turniergolf verabschiedete. 2013 wagte er auf der ProGolf Tour einen Neuanfang und stieg jedes Jahr auf, bis er 2015 in die erste Liga zurückkehrte.
Nachdem er im vergangenen Jahr etliche Male im vorletzten und drittletzten Flight spielte, hält er sich für gut genug, um auf der European Tour zu gewinnen: „Irgendwann wird es passieren. Ich weiß nicht wann, aber es wird passieren.“ Auch die Flugangst will er immer noch besiegen. Er versucht jetzt, sich selbst mit CDs zu therapieren, auf die er so genannte Affirmationen gesprochen hat. Ein Techniker hat die Lautstärke so weit heruntergedreht, dass er zwar nichts hört, aber sein Unterbewusstsein dennoch diese positiven Gedanken wahrnimmt – ein ungewöhnlicher Weg. Aber was ist an der Karriere von Florian Fritsch schon gewöhnlich?