Ein Telefoninterview mit dem berühmtesten Golflehrer aller Zeiten steht an: David Leadbetter, dessen Lehrmethoden in über 40 Golfakademien auf der ganzen Welt verbreitet werden. Wir wollten das Interview per Skype machen, von wegen optischer Interaktion. Aber ohne Skype Passwort und mit einem unaufgeräumten Arbeitszimmer? David Leadbetter will zum Glück auch nicht skypen. Er steht nämlich in Orlando auf der Range und tut das, was er am besten kann, er unterrichtet Golf.
Aber er erwarte meinen Anruf und ich solle mir keine Sorgen machen. Wir können auch gerne länger als eine halbe Stunde plaudern. Wenn er anfange über Golf zu reden, könne er meist gar nicht mehr aufhören. Perfekt. Uns trennen sechs Stunden und über 8.000 Kilometer, aber die Verbindung ist glasklar…
Hi, hier ist Martina Parker von Simply Golf …
Ah, Simply Golf, ein wichtiges Magazin. Von wo rufen Sie an?
Aus Bad Tatzmannsdorf. Wir hatten hier im Golfclub auch mal eine Leadbetter Academy. Erinnern Sie sich?
Klar, immer wenn ich Bernd Wiesberger sehe, sage ich: Ich kann mich noch genau daran erinnern, als du sechs Jahre alt warst. Wir haben uns erst vor ein paar Wochen getroffen. Er ist super unterwegs.
Nachdem Bernds Trainer auch Leadbetter-Schüler sind, haben Sie quasi die Basis für den Erfolg gelegt.
Ich weiß nicht, ob das so ist, aber seine Coaches sind super ausgebildet (lacht). Ihr Österreicher hattet ja kürzlich auch fast -einen anderen Triumph. Matthias Schwab bei der Turkish Open. Das war amazing. Ein unglaubliches Finale. Aber lassen Sie uns loslegen. Was wollen Sie von mir wissen?
O.k., erste Frage: Sie gelten als DER Teaching Pro. Wie ist die Reaktion der Leute, wenn Sie sich auf einer Party als David Leadbetter vorstellen?
(Lacht laut) Die meisten sagen: Können Sie mir mit meinem Golfspiel helfen? Egal ob High Handicapper oder Tourspieler, beim Golf wollen alle immer besser werden. Und das Tolle -dabei ist, das ist auch möglich, und zwar in jedem Alter. Ich sage immer: Der Golfball weiß nicht, wie alt du bist. Wenn deine Technik besser wird, wird auch dein Spiel besser. Und wir leben im Technologiezeitalter mit Trackman, Videos & Co. Wir haben so viele Möglichkeiten.
Aber trotz immer besserer Schläger und Technologie ist das Durchschnittshandicap seit 30 Jahren unverändert. Woran liegt das?
Gute Frage, einerseits wohl daran, dass jedes Jahr neue Spieler hinzukommen. Andererseits haben die Leute auch zu wenig Zeit, um effektiv zu trainieren. Golf ist ein schwieriger Sport. Man braucht viel Zeit, um es zu erlernen, und die hat heute kaum mehr jemand. Ich mag das Platzreifesystem, das ihr in -Österreich und Deutschland habt. Das ist eine gute Sache. Die Leute sollen die Grundlagen können, bevor sie losgehen und spielen. Ich würde Anfänger während der ersten drei Monate sowieso gar keinen Ball schlagen lassen.
Warum das?
Sie sollten besser drei Monate lang ausschließlich am Schwung arbeiten, ohne Ball. Das größte Problem beim Golf ist der Golfball. Sobald da ein Ball liegt, denken alle nur mehr darüber nach, wie sie den von A nach B bekommen, oder überhaupt in die Luft. Aus diesem Bemühen entstehen dann die unmöglichsten Bewegungen und hartnäckige Schwungfehler, die man den Leuten kaum mehr austreiben kann. Beim Turmspringer ist es das Ziel, ins Wasser einzutauchen, ohne zu spritzen. Dennoch üben die Turmspringer erst monatelang auf dem Trampolin. Erst wenn sie die Figuren beherrschen, widmen sie sich der Frage, wie man am besten elegant und ohne „Splash“ ins Wasser gleitet.
Einer ihrer ersten berühmten Schüler war Nick Faldo. Sie haben zwei Jahre lang an seinem Schwung gearbeitet. Der Durchbruch kam, als Sie ihm geraten haben, die Arme beim Rückschwung so locker wie Spaghetti zu halten. Brauchen wir alle so einen Schwunggedanken, um unsere Technik zu kontrollieren?
Nick Faldo war viel zu angespannt – wie übrigens auch die meisten Amateure. Und wer verspannt ist, kann nicht frei schwingen. Der Golfschwung soll so locker sein wie die Bewegung einer Schaukel am Spielplatz: hin und her. Insofern war dieses -Spaghettibild für ihn das fehlende Puzzleteil. Er hat mit dieser Vorstellung gelernt, auf das zu vertrauen, was er zwei Jahre lang geübt hat.
Können sich Tourspieler heute noch eine zweijährige Auszeit erlauben, um an ihrem Schwung zu arbeiten?
Vermutlich nicht. Wir haben heute viel mehr Leistungsdruck als damals. Wenn man bei der Tour aus der Top 50 fällt, ist das schon problematisch. Insofern haben sich auch meine Trainings-methoden verändern müssen, damit man schnellere Resultate bekommt.
Viele Spitzenspieler haben heute ein halbes Dutzend verschiedener Coaches. Einen für den Schwung, den anderen für die Performance, den dritten fürs Putten, dann noch einen Mentaltrainer, einen Fitnesstrainer und einen Physiotherapeuten. Glauben Sie, dass manche über-coached sind?
Das hängt von der Persönlichkeit ab. Manche kommen damit gut klar, andere weniger. Wichtig ist aber, dass einen auch eine Armee an Beratern niemals zur Perfektion führen können. Manchmal sage ich zu einem Spieler, den ich trainiere: So, jetzt hast du genug Informationen. Geh auf den Platz, setze es um. Vertraue auf dein Spiel. Auch und gerade unter Druck musst du dich auf dich selbst verlassen können.
Ist es anstrengend, mit Superstars zu arbeiten?
Jeder gute Spieler hat eine starke Persönlichkeit und weiß, was er will. Als Trainer musst du es schaffen, in seinen Kopf reinzukommen, um herauszufinden, wie er denkt. Es geht nicht -darum, einem Spieler zu sagen, was er tun soll. Man muss so mit ihm kommunizieren, dass er sein eigenes Spiel und seinen Schwung verstehen lernt. Ein guter Coach hilft einem Spieler, sein eigener Coach zu werden.
Was ist das Verrückteste, was Ihnen je beim Golfunterricht passiert ist?
Eine Schülerin hat mich flachgelegt. Ich stand zu nah hinter ihr. Sie hat geschwungen und mich am Kopf getroffen und ich ging k.o. Ich war kurz ohnmächtig. Da lag ich also als Coach bewusstlos am Practice Tee. Zum Glück ist nichts passiert. Aber es war ihr fürchterlich peinlich. Heute kann ich darüber lachen, aber damals …
Wenn ich Golfunterricht bei Ihnen nehmen möchte, was kostet mich das?
Ich komme zeitlich nicht mehr oft dazu, Amateure zu trainieren, aber ab und an richte ich es ein und unterrichte entweder in unseren Zentren in Orlando Florida oder in Europa in Stoke Park 50 min außerhalb von London. Dann verlange ich rund 3.000 Euro für eine 3 ½-stündige Vormittagslesson.
Sie sind also sehr busy?
Ich arbeite mit Tour Playern, schreibe gerade an einem neuen Buch, ich verfasse Artikel für Golfmagazine, moderiere im Radio während der British Open und des Ryder Cups. Ich habe die David Leadbetter Junior Golf Academy und ich bin total involviert in die Ausbildungsprogramme unsere Akademien. Im letzten September haben wir ein neues Schulungsangebot für Unterrichtende gestartet. Diese können nun auch Online-Kurse als Zusatzausbildung absolvieren. So will ich Coaches auf der ganzen Welt helfen, noch besser zu werden. Man braucht ja enorm viel Wissen, um anderen zu helfen.
Sie bringen anderen viel bei, was hätte man Ihnen schon früher beibringen sollen?
Dass es keine Perfektion im Golf gibt. Das Streben nach Perfektion hat mir beim Unterrichten geholfen, aber nicht beim Spiel selbst. Man muss sich damit abfinden, dass Golf ein ständiges up und down ist. Es gibt gute und schlechte Tage. Und du bist nicht dein Golfspiel. Es darf nicht sein, dass deine gesamte Befindlichkeit von der Performance am Platz abhängt. Dass du nur glücklich bist, wenn du gut spielst, und am Boden zerstört, wenn es schlecht läuft. Das Wichtigste beim Golf ist eine gute Einstellung. Erwarte immer das Beste, auch wenn es nicht immer passiert. Genieße den Lernprozess. Gutes Golf wartet schon hinter der nächsten Ecke, wenn du dich entspannst und das Spiel genießt.
Eine Freundin von mir hat einen ganz ungewöhnlichen Schwung. Sie wirft den Schläger vor dem Abschwung wie ein Lasso über den Kopf. Würden Sie das verändern?
Nur wenn sie den Willen, das Talent und die Zeit zur Singlehandicapperin hat. Wenn sie ein halbwegs gutes Handicap hat, regelmäßig den Ball gut trifft und mit ihrem Spiel glücklich ist, nicht. Es gibt viele erfolgreiche Golfer, die keinen Bilderbuchschwung haben. Jim Furyk hat einen hässlichen Schwung. Der von Matthew Wolff ist auch ungewöhnlich.
Haben Sie nicht auch mal gesagt, Tigers Schwung wäre hässlich?
Daran kann ich mich nicht erinnern. Ich habe wohl seinerzeit gesagt, er hatte Probleme mit seinem Schwung. Aktuell ist sein Schwung viel, viel ruhiger als früher. Mehr Erfahrung als Kraft. Aber hey, wer 15-mal die Majors gewinnt, schwingt auf jeden Fall richtig.
Wer hat den hübschesten Schwung auf der Tour?
Louis Oosthuizen, aber ich mag auch den von Rory McIlroy.
Wie trainiert man effektiv?
Ben Hogan hat noch stundenlang Bälle auf der Range rausgeschlagen, aber das ist überholt. Einer unserer Drills ist es, 5×4 Golfbälle mit unterschiedlichen Schlägern zu schlagen. Also einmal Driver, einmal je langes und mittellanges Eisen und ein Wedge. Also Abwechslung wie am Platz. Und übe Schläge unter 100 Meter, 90 Meter, 80 Meter. Dafür braucht man Gefühl und viel Praxis. Wir machen für unsere Schüler Trainingspläne. Die beinhalten auch Üben am Platz, damit man nicht bei jedem Wasserhindernis nervös wird.
Was ist das Faszinierendste, was Sie über Golf wissen?
Du musst nicht groß und stark sein, um den Ball weit zu schlagen. Jeder redet nur von Schlägerkopfgeschwindigkeit, aber viel wichtiger ist die Ballgeschwindigkeit, die vom optimalen Treffpunkt abhängt. Wenn du smooth und mühelos schwingst und den Ball genau in der Mitte des Schlägerkopfs triffst, fliegt er weiter, als wenn du mit voller Kraft draufschlägst und ihn irgendwo triffst. Ich sage immer: Swing easy – hit hard.
Das war jetzt ein richtig cooler Schlusssatz, danke für das tolle Interview.
War schön, mit Ihnen zu reden, alles Gute und bitte schicken Sie Grüße an die Golfer in Bad Tatzmannsdorf. Es ist schon lange her, aber ich hatte dort immer eine richtig gute Zeit.
David Leadbetter ist PGA-Coach des Jahres 2017, PGA Hall of Fame Professional und Golf Channel-Experte. Zu seinen „Kunden“ zählen 26 Major Champions. Für sieben Weltranglistenerste war Leadbetter tätig, außerdem Autor von sieben Golfunterrichtsbüchern, darunter der Bestseller „The A Swing“. Damit ist er der weltweit führende Autor von Golfunterrichtsbüchern mit mehr als zwei Millionen verkauften Exemplaren.