Unser erstes Gespräch zu Trainingsbeginn war von Skepsis geprägt. „Are you sure you can carry the bag the whole week?“ Jbe Krugers fast indisches, nachdenkliches Kopfwiegen versucht angestrengt den Aggregatzustand meines Alters mit meiner körperlichen Kondition in Balance zu bringen. Ich bin das Doppelte von ihm. Doppelt so groß, doppelt so schwer, doppelt so alt – nein, ok, nicht ganz. Und auch ich habe meine Zweifel: Wie kann ein derart schmächtiges Männlein rund 30 Turniere im Jahr auf der ProBi-Tour überstehen? Diese Fragen blieben unbeantwortet an diesem kühlen Morgen in Atzenbrugg und trotzdem sollte die längste Unterhaltung der gemeinsamen Woche bleiben. Meine mutig vorgebrachte Honorarforderung überzeugte ihn dann gänzlich von meiner Unkenntnis als Caddie. Trotzdem (oder gerade deswegen?) willigte er ein, mit mir diese Turnier-Partnerschaft einzugehen, mit dem für mich eindeutig erkennbaren Vorsatz, soviel wie möglich selbst zu machen. Wie das halt oft so ist, in Beziehungen.
Es hatte hatte schon knifflig begonnen. Als die Organisation der Austrian Open einen Bedarf an Reserve-Caddies kommunizierte, meldete ich spontan mein Interesse an. Aus reiner Abenteuerlust und Neugier, ich mag das Erspüren mir total fremder Berufe, ohne weitere Kenntnis. Weder habe ich die Tätigkeit eines Caddies jemals ausgeübt, noch habe ich je als Spieler darauf besonders geachtet oder mich dafür interessiert. Und in meinem Brotberuf als Filmregisseur und Produzent sind einem Wille und Fähigkeit zu dienen auch nicht unbedingt in die Wiege gelegt.
Aber ich wollte Antwort Binden: Kann ich ein besserer Golfer werden wenn ich den ProBis aus nächster Nähe genau auf den Schwung schauen kann? Lassen sich Profistrategien in die eigene Spielweise integrieren, sind spezielle mentale Tricks abzuschauen, um diese im richtigen Moment im hoch kompetitiven Freundeskreis anzuwenden? Oder ist (und bleibt) es erwartungsgemäß einfach nur langweilig, einem Spieler hinterher zu hecheln, um ihm den gewünschten Schläger oder das Handtuch zu reichen?
Der schmächtige JB Kruger zeigte, zum Erstaunen der Zuschauer und der Konkurrenten, Schläge von bis zu 315 Meter. Mir als seinem Caddie blieb durch meine schwindende Sehkraft dieser Genuss ein wenig verwehrt.
Die Aufregung stieg jedenfalls schon mal, als Jbe Kruger aus Südafrika anrief. Und zwar just zu dem Zeitpunkt, als ich mir einbildete, ihn soeben live bei den Nordea Masters in Schweden spielen zu sehen. Spooky. Wir machten uns ein Treffen für Dienstag 09.00 Uhr morgens aus. Später klärte sich, dass ich da nicht mit ihm, sondern mit seinem Manager telefoniert hatte.
Jbe Kruger, der schmächtige, kleine Mann war dann die Woche lang, ausnahmslos in jedem Flight, vom Abschlag mit Abstand der Weiteste. Er zeigte, zum Erstaunen der Zuschauer und der Konkurrenten, Schläge von bis zu 315 Meter. Mir als seinem Caddie blieb durch meine schwindende Sehkraft dieser Genuss ein wenig verwehrt. Wie mit Zauberhand verschwanden die Bälle regelmäßig nach 220 m, wie blitzhaft retuschiert, aus der Luft. Zum Glück gibt es ja extra eingesetzte Ballspäher. Und ein wenig konnte ich durch meine gute Platzkenntnis kompensieren.
Das Training, ein Spaziergang
Die Tätigkeit des Caddies während des Trainings stellt sich eher beschaulich dar, wenn auch stundenlang hoch repetitiv, und überschaubar schwierig. Zwei Handtücher auf dem Bag montieren und auf jeweils einer Seite intensiv befeuchten. Benutzte Schläger zuerst feucht, dann trocken putzen(…but, please, don`t touch the grip…). Trainingsbälle, Trinkwasser und Bananen nachfüllen. Gute Gelegenheit, um auch alle anderen übenden Spieler mit ihren unterschiedlichen Trainingstechniken zu beobachten.
Nur der Trackman-Servicetechniker durchbricht diese Routine. Jbe wünscht sich mehr Spin-Rate. Jetzt. Tatsächlich, nach Messung und Begutachtung wird eine Rate von niedrigen 1450 bei seinen Drives festgestellt. Zwei kurze Einsätze des Schraubenziehers am Schlägerkopf befördern die Spin Rate auf über 4000. Beindruckend, auch wenn ich nichts verstanden habe. Was könnte dieser Mann wohl mit meinem Schlägerkopf anstellen?
Das Turnier, der Sprint
Mit dem ersten Abschlag begann als Caddie für mich ein schwer unterschätzter, anstrengender, tagelanger Stress. Kaum ist der letzte Ball des ersten Abschlags in der Luft, stürmen der gesamte Blight vorwärts als gäbe es für den, der als Erster bei seinem Ball ist einen Bonus zu gewinnen. Braucht man zu lang, um den Driver im 25 kg – Bag zu verstauen, hat man schnell 50 m Rückstand, der sich bis zu Balllage leicht auf 100 m ausdehnen kann. Genügend Zeit für Jbe, mit Hilfe des speziellen Birdiebooks Schlagdistanz und Schlägerwahl für den nächsten Schlag zu analysieren, bis ich neben ihm gerade noch rechtzeitig eintreffe, damit er seinen gewählten Schläger elegant aus dem Bag zupfen kann.
Aber wie schaffen das die anderen Caddies, die bei der Vermessung und Analyse ein Wörtchen mitreden, also gleich schnell sein müssen? Vor allem, wenn was schiefgeht. Wie, zum Beispiel: Abschlag in den Fairway-Bunker und dann von dort in den Green- Bunker. Kommt öfter vor und bedeutet für mich: zügigst vorsprinten, weil komplizierte Schlagdistanzanalyse zu erwarten ist, Schlag aus dem Fairway-Bunker, Schläger putzen (ohne den Schlägergriff zu berühren), Bunker rechen (ordentlich, sonst drohen 300 Pfund Strafe), nachlaufen, Schlaganalyse, Schlag aufs Grün, Ball putzen, Putter bringen, um Fahne kümmern, Bunker Eisen putzen (aber nicht den Schlägergriff berühren), Bunker rechen (ordentlich, sonst 300 Pfund Strafe) aber nicht wenn jemand anderer puttet (sonst 300 Pfund Strafe), nächstes Loch. So vergehen, hoch konzentriert, die Stunden, Tage ohne Lachen, aber mit viel konzentriertem, positivem PBlichtgefühl. Bis dann der Regen einsetzt.
Mein zweiter Tag beginnt um 5 Uhr früh um rechtzeitig für den VormittagsBlight das eineinhalbstündige Aufwärmritual begleiten zu können (chippen, pitchen, Eisen, Hölzer und putten) und endet durch ein Missgeschick am vorletzten Loch mit dem Verpassen des Cuts. Meine heimliche Erleichterung über das abrupte Ende meiner CaddielauBbahn lasse ich mir nicht anmerken. Um 19 Uhr abends erfahre ich, dass Jbe wegen des stürmischen Nachmittags, der den Score insgesamt hoch trieb, doch noch den Cut knapp geschafft hat. Die daraus resultierende frühe Startzeit für den Samstag eröffnet auch mein Wochenende mit einer Tagwache um jeweils 04.50 Uhr.
An meinem fünften und sechsten Tag marschiere ich in die Arena, die sich nun am entscheidenden Wochenende mit immer mehr Zuschauern füllt, schon wie ein routinierter Caddie ein. Ich verstaue und zücke Schläger schon während des Laufens, habe das Fahnenritual unter den Caddies verinnerlicht, reiche rechtzeitig das Statistikheft für Eintragungen und antizipiere tatsächlich schon Wünsche von „TschaiBi“, die er als gütiger, respektvoller Mensch, als den ich ihn kennen lernen durfte, etwas übertrieben mit „amazing!“ goutiert. Bis dann doch immer wieder eine neue, ungekannte Situation entsteht, in der die emotionale Zuwendung wieder abkühlt.
Das Fazit
Was bleibt? Eine ziemlich intensive Turnierwoche als Caddie für Jbe Kruger, die er schlussendlich trotz großartigem Golf als geteilter 42. mit einem Preisgeld von 5.300 Euro beendet. Die Verdienstmöglichkeit für einen Proficaddie wäre also diese Woche mit ihm nicht sehr hoch gewesen. Trotz anstrengender, unterschätzter Handlangertätigkeit (immerhin legt man mit einem 25 kg schweren Rucksack um die 60 km in zügigem Schritttempo zurück), erlebt man die Spannung und Aufregung, die Höhen und die Katastrophen des Spiels hautnah. Es bleibt die Bewunderung über die hohe Qualität der Spieler, mit der klaren Erkenntnis wie hauchdünn das Eis in der Spitze ist. Und trotzdem können jederzeit teils grobe Unzulänglichkeiten passieren, die (meist) stoisch ertragen werden. Das wird auch mir sicher helfen, das eigene Spiel in Zukunft etwas gnädiger zu beurteilen.
JB Kruger ist noch am Sonntag Abend Richtung Thailand abgeBlogen, zum nächsten Turnier. Dort traf er seinen Caddie am Dienstag um 09.00 Uhr. Undenkbar, für mich. Ich lege jetzt mal die Füße hoch.
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