Wie fühlt sich der Platz nach der ersten Proberunde für Sie an?
Scottie Scheffler: Ich habe gestern einige Löcher gespielt – die Back Nine komplett, ein paar auf der Front Nine. Der Platz ist in sehr gutem Zustand, ein klassischer Links mit fairen, aber anspruchsvollen Herausforderungen. Ich hatte Spaß, was immer ein gutes Zeichen ist. Es ist ein Platz, der dich zur Kreativität zwingt.
Kreativität ist ein gutes Stichwort. Wie verändert Links-Golf Ihr taktisches Denken – im Vergleich zu Parkland-Plätzen in den USA?
Man muss deutlich mehr in Flugbahn und Ballverhalten denken. Nehmen wir einen 150-Yard-Schlag gegen den Wind: Je nach Fahnenposition und Windrichtung kann ich dafür drei verschiedene Schläger wählen. Entscheidend ist nicht nur, wie hoch ich den Ball fliege, sondern auch, wie viel Spin ich generiere – und ob ich den Ball stoppen oder rollen lassen möchte. Es ist eine vielschichtige Kalkulation, und genau das macht es spannend.
Und wie intuitiv gehen Sie dabei vor – oder wird es irgendwann zu viel?
Ich bin kein Spieler, der jeden Spin-Wert durchrechnet. Ich visualisiere den Schlag, stimme mich mit meinem Caddie Ted ab, wir einigen uns auf eine Variante – und dann versuche ich, den Schlag auszuführen. Ich verlasse mich auf mein Gefühl und meine Erfahrung. Zu viele Gedanken blockieren.
Sie haben gesagt, das Links-Golf sei noch recht neu für Sie. Wie gut passt es inzwischen zu Ihrem Spiel?
Ich denke, es spielt meinen Stärken in die Karten. Ich liebe es, kreativ zu sein, und das verlangt dieser Stil. Aber ja, ich habe erst als Profi begonnen, Links-Plätze zu spielen. Jedes Jahr verstehe ich ein bisschen mehr. Und ich erkenne Unterschiede: Irische Links-Plätze wie Portrush sind grüner, man muss mehr durch die Luft spielen. Auch die Grüns haben mehr Konturen – falsche Fronten etwa, die man sonst eher nicht auf Links erwartet. Das alles macht die Herausforderung komplex, aber eben auch fair.
Fair ist ein Wort, das Sie auch bei den Pot-Bunkern benutzen …
Richtig. Die Bunker hier sind anders als auf anderen Links-Plätzen. Der Ball rollt meist zur Mitte – man bekommt eine realistische Chance. Auf manchen Plätzen ist es reine Glückssache, welche Lage man in einem Bunker erwischt. Hier hat man das Gefühl, der Platz stellt dich vor Aufgaben, aber nicht vor Zufälle. Das gefällt mir.

Sie gelten als Favorit. Setzt Sie das unter Druck?
Favoritenrollen interessieren mich nicht. Am Donnerstag starten alle bei Even Par. Dann zählt, wer besser spielt. Nicht, wer vorher auf dem Papier besser aussieht.
Gibt es eigentlich eine Distanz rund ums Grün, bei der Sie sagen würden: Da greife ich lieber nicht zum Putter?
(lacht) Vielleicht bei 70 Yards. Aber im Ernst – das hängt alles von der Lage ab. Auf Links-Plätzen ist es oft sinnvoll, flach zu spielen, vielleicht mit einem 9er-Eisen, manchmal auch mit dem Putter. In den USA braucht man Spin, weil die Grüns schneller sind. Hier geht es mehr darum, den Ball zum richtigen Zeitpunkt ins Rollen zu bringen.
Wie steht es mit dem Putten allgemein auf Links-Plätzen?
Man muss sich an das Tempo gewöhnen. Die Grüns sind oft langsamer, was bei starkem Wind auch nötig ist. Aber Putten bleibt Putten. Ich bin in Texas aufgewachsen – da lernt man, unter ganz verschiedenen Bedingungen zu spielen. Diese Flexibilität hilft.
Wenn Sie zurückblicken: Wie sah Ihre erste Begegnung mit der Open Championship aus – als Fan, als Kind?
Ich erinnere mich, dass ich früh aufgestanden bin, mich runtergeschlichen habe, um die Open im Fernsehen zu schauen – lange bevor meine Eltern wach waren. Mein Vater war eigentlich dagegen, morgens fernzusehen. Aber bei der Open hat er eine Ausnahme gemacht. Es war eine besondere, ruhige Zeit. Und ich habe immer davon geträumt, selbst einmal dort zu spielen.
Wie wichtig ist Ihnen eigentlich die Nummer 1 in der Weltrangliste?
Es ist eine große Auszeichnung. Aber man wird nicht Nummer 1, indem man über Ranglisten nachdenkt. Jeder Woche ist ein neues Kapitel. Selbst wenn ich hier gewinne, steht schon in Memphis die nächste Frage im Raum: „Was ist nächste Woche?“ Der Golfzirkus hört nie auf. Das ist faszinierend – und gleichzeitig entzieht es den Momenten ihre Tiefe.
Sie sprechen das Thema Erfüllung an. Was erfüllt Sie – wenn nicht der Sieg?
Ich liebe es, Vater zu sein. Ich liebe es, für meine Familie zu sorgen. Wenn ich nach Hause komme, danke ich meiner Frau dafür, dass sie sich um unseren Sohn kümmert. Ich liebe Golf, den Wettbewerb, das tägliche Training. Aber wenn Golf mein Privatleben gefährden würde – dann wäre das mein letzter Tag als Profi.
Das klingt, als würde Sie der Sieg nicht langfristig glücklich machen.
So ist es. Man arbeitet sein ganzes Leben für einen Moment – und dieser Moment hält oft nur zwei Minuten. Das ist großartig, ja. Aber es erfüllt nicht die tiefsten Sehnsüchte. Deshalb sage ich auch: Ich will lieber ein guter Vater sein als ein großartiger Golfer.
Trotzdem muss man Verluste akzeptieren lernen – fällt Ihnen das schwer?
Ich hasse es zu verlieren. Aber Golf ist ein Spiel, in dem man viel öfter verliert als gewinnt. Man kämpft, arbeitet, verbessert sich – und weiß doch, dass man mehr Niederlagen als Siege erleben wird. Es ist eine paradoxe Leidenschaft. Aber ich liebe sie.
Sind Sie im Inneren mehr Künstler oder Wissenschaftler?
Ich bin ein Künstler. Wenn ich spiele, will ich nicht über Technik nachdenken. Ich trainiere zu Hause mit Daten und TrackMan – aber wenn es ernst wird, zählt nur der Schlag. Kein Golfschwung, kein Spin-Wert. Nur der Ball, das Ziel – und der Moment.
Gibt es Spieler, von denen Sie sich Tipps zum Links-Golf holen?
Ich stelle gerne Fragen, ja. Letzte Woche habe ich mit Bob MacIntyre gespielt – ein großartiger Spieler, von dem ich viel lernen konnte. Auch Adam Scott ist jemand, von dem ich mir viel abschauen kann. Es gibt so viele kleine Dinge, die man im Laufe der Runden mitbekommt. Aber die Details behalte ich lieber für mich (lacht).
Und wie halten Sie sich wach bei Jetlag?
Schlecht. Meine Frau macht ein Nickerchen und schläft dann acht Stunden. Ich versuche, durchzuhalten, schleppe mich durch den ersten Tag – aber eine Methode? Nein. Ich warte einfach, bis es vorbei ist.
Zum Schluss: Was bedeutet Golf für Scottie Scheffler – in einem Satz?
Es ist eine der größten Freuden meines Lebens. Aber es ist nicht alles.